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- 450 Jahre Giordano Bruno -

Andrea Heil

Die magischen Schriften



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Über die magischen Schriften

Giordano Bruno war im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen kein praktizierender Magier oder Alchimist. Sein Interesse an Zauberbüchern war hauptsächlich philosophischer Natur, und aus eben diesem Interesse hat er sie gelesen und gesammelt.
In seinen Schriften zur Magie "De magia" (zwischen 1586 und 1591) und "De vinculis in genere" (1591) versucht Bruno die seiner Meinung nach zu Unrecht in Verruf geratene Magie aus ihrer negativen Bewertung zu befreien. Er wendet sich wie viele seiner Vorgänger gegen eine Deutung der Magie rein als ketzerisches Umgehen mit dämonischen Kräften und versucht, sie aus dem Nebel gruseliger Spekulationen ans Licht zu heben. In dieser Wissenschaft sieht er die praktische Anwendung der Vorstellung von einem beseelten Universum, in dem alles mit allem verbunden ist, in dem der um diese Verbindung Wissende, der Magier, kreativ Wirklichkeit schaffen kann, und er definiert den Magier nach Aristoteles als "einen weisen Menschen, der mit der Kraft zu handeln ausgestattet ist".
Wichtig für das Verständnis seine magischen Schriften ist der Brennpunkt in Bruno's Studien, der Punkt, an dem die Welt ins Bewußtsein oder das Bewußtsein in die Welt übergeht. Dieser Austausch bringt den Menschen magisch gesehen in große Gefahr, denn sobald der Einfluss von Außen größer ist als der Ausfluß aus dem Bewußtsein, die ewige Kommunikation mit dem Universum also aus dem Gleichgewicht gerät, verliert der Mensch die Kontrolle über sein Bewußtsein und wird von stärkeren Mächten geführt. Das Wissen um diesen Prozeß bringt Bruno in seinem magischen Schriften zur Anwendung, denn Magie ist für ihn nichts anderes, als die unnatürlich Beeinflussung dieses Moments, und damit die Beeinflussung des Individuums und seiner Imagination, die diesen Moment vollzieht.

"De magia"

In seiner Schrift "De magia" reflektiert Bruno die Bedingungen und Medien, unter und in denen die überall wirkenden Eindrücke zustande kommen. Das was die Welt im Innersten zusammen hält, sind die Affekte und ihre fesselnde Wirkung auf die Seele. Bruno geht davon aus, das keine Seele ohne Körper sei, auch wenn wir diesen z.B. bei den Engeln nicht wahrnehmen können. In Ergänzung hierzu schreibt er auch, das nichts in diesem Universum ohne Seele sei, auch wenn nicht alles ein Lebewesen in unserem Sinn genannt werden kann. Es gibt also kein Vakuum in seinem Universum, und die unendliche Zahl der einzelnen Seelen breitet sich von ihrem Zentralpunkt in die Unendlichkeit hin aus, ohne sich gegenseitig zu behindern. Sie bildet ein Kontinuum mit der Weltseele, dem universalen Spiritus. Jeder Körper hat also eine Seele, und jede Seele haftet an einem Körper, Bruno nennt diesen Umstand "die Liebe der Seele zu ihrem Körper". Dieses Netz von Beziehungen ermöglicht die praktische Magie, die durch Beeinflussung der Seele auf die Materie einwirkt.
Das zentrale Organ der Wahrnehmung ist bei Bruno die Imagination, die die äußeren Eindrücke aufnimmt und verarbeitet. Der Magier verfeinert dieses Organ und ist seiner Hilfe und einem umfassenden Wissen um die Zusammenhänge des Universums in der Lage aus dieser Machtposition heraus mit den ihm zur Verfügung stehenden Fesseln, über Töne, Licht, Erscheinunng, Berührung und Wort, das Individuum zu beeinflußen und Wirklichkeit zu schaffen.

Das Leitermodell bei Giordano Bruno (nach Plotin)

Leitermodell nach Plotin Gleich auf den ersten Seiten seiner Schrift "De magia" behandelt Bruno das bekannte auf Plotin basierende Theorem aller Magie, die Idee des universalen Zusammenhangs und Wirk-Kontinuums, dem Auf- und Abstieg der Seelen bzw. der "Leiter" der Wesen. Dieses Konzept eines hochkommunikativen Universums benutzt Bruno, um seine Philosophie des Zusammenseins von Seele und Materie im Raum zu differenzieren und durchzuführen. Die Koexistenz von Seele und Materie im Raum ergibt eine unendliche Fülle möglicher kombinierbarer Wesen im Gefälle von viel oder wenig Seele, viel oder wenig "Leib". Die Verneinung eines Vakuums in diesem Universum macht Platz für zahlreiche Engel, Dämonen, Planetar- und Elementargeister, die durch ihren Mangel an "Leib"h uns unsichtbar den scheinbar leblosen Raum bevölkern und die Verbindungsglieder zum obersten Licht, zu reinen Akt bilden. Dieses Leitermodell funtkioniert in beide Richtungen und definiert die Endpole als Gegensatzpaare: "reiner Akt/Materie", "aktive/passive Potenz" und "reines Licht/Finsternis". Die Stufen der Leiter zeigen die verschiedenen Ebenen der Wirkung der beiden gegensätzlichen Einflüsse an. So wirkt Gott auf das Lebewesen durch die einzelnen Stufen, indem das höher Gelegene jeweils das Untere beeinflußt; und das Lebewesen steigt Stufe für Stufe hinauf, um mit Gott das einfachste, beste und größte Unkörperliche, Absolute und Sich-Selbst-Genügende zu betrachten. Die unteren Stufen der Leiter werden mehr von der Materie, der passiven Potenz beinflußt, während die oberen Stufen mehr am Licht teilhaben.
Dennoch sind Licht und Finsternis nicht im Gleichgewicht. Denn obwohl die Materie bis in die oberen Stufen der Leiter hinauf wirkt, erreicht sich nicht die Stufe Gottes, während das Licht bis in die unterste Stufe der Leiter wirkt, die Finsternis umfängt und diese bis ins Unendliche überwindet.

Utrique Cosmi II
Robert Fludd "Utriusque Cosmi II", Oppenheim, 1619

"De vinculis in genere"

Brunos Sicht auf dem Menschen stellt dessen Affekte in den Vordergrund, die er folgerichtig zur Triebfeder seiner Handlungen und zu seiner Archillesferse erklärt. Der nach allen Seiten offene Mensch wird von seinen durch Sinneseindrücke geprägten Affekte geführt, er wird von seiner Umwelt ergriffen, aber er kann diese auch, falls er die Fesseln der Affekte durchschaut hat, für seine Zwecke in Anspruch nehmen. Die Schrift "De vinculis in genere" behandelt im Detail die Eindrücke, die auf die Imagination wirken und so z.B. Liebe, aber auch Feindschaft und Ablehung herbeiführen. "Fesseln kann, wer den Bauplan (ratio) des Universums hat und die Natur und Disposition des Besonderen kennt, seine Erscheinungen und Neigungen", schreibt Bruno im ersten Kapitel über die Fessel des Spiritus. Weiter schreibt er: "Die Fessel ist eine gewisse Eigenschaft einer Sache. Sie geht von der Sache zur Seele hin, verläßt die betreffende Sache aber nicht." In den folgenden Teilen der Schrift beschreibt Bruno genau sowohl die Eigenschaften der fesselnden Dinge, als auch die der fesselbaren Dinge, und ermöglicht dem Menschen so nicht nur einen Einblick in die Manipulation der Wirklichkeit, sondern gibt ihm das Wissen, sich über das eigene Gefesseltsein bewußt zu werden.
Den letzen Teil der "vinculis in genere" widmet er der Liebe, die für ihn das Fundment aller Affekte bildet, denn "Wer nämlich nichts liebt, hat keinen Grund, sich zu fürchten, zu hoffen, zu rühmen, sich zu überheben, zu wagen, zu verachten, anzuklagen, zu entschuldigen, sich zu erniedrigen, nachzuahmen, in Zorn zu geraten und von den übrigen Modi dieser Art affiziert zu werden". Die "Fessel des Cupido" bindet alle auf ihre Art, eine Erkenntnis, die Bruno nicht als erster gewinnt, die er aber genau psychologisch ausbreitet, und die bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren hat.

Abschließend

Der Enstehungszeitraum seiner magischen Schriften "De magia" (Über Magie, 1586-91) und "De vinculis in genere" (Über die fesselnden Kräfte im Allgemeinen, 1591) fällt mit Giordano Brunos Aufenthalt in Deutschland bzw. Padua zusammen. Auf der Tradition der europäische Magie aufbauend hält Bruno ein beachtenswertes Plädoyer für die Beschäftigung mit den magischen Wissenschaften und ihre Anwendung. Diese wenig beachteten Schriften entwickeln eine von einer erotischer Fessel zusammengehaltenen Kosmologie und entsprechend so gar nicht dem Bild des "Geistphilosophen" aus Nola, weshalb eine Übersetzung ins Deutsche auch erst 1993 entstand.

Autorin: Andrea Heil


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Last updated: 25. April 1998